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Die Bettfedernfabrik Werner & Ehlers - eine Bilderserie zum Produktionsprozess
von Heiko Arndt
Briefkopf von Werner & Ehlers aus dem Jahr 1939
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde Linden entscheidend durch Industrieproduktion geprägt. Fabrikarbeit war der Alltag vieler Lindener - oft als elende, schlecht bezahlte Plackerei, die ganze Menschenleben weitgehend ausfüllte. Leider wissen wir nur relativ wenig aus der Sicht "von unten" - von Arbeitern - über das Geschehen in den Fabriken.
Am Beispiel der Bettfedernfabrik Werner & Ehlers lässt sich hier überblicksweise der ganze Produktionsprozess in einem der größeren Lindener Betriebe veranschaulichen. Die Firma bestand seit 1861, an ihrem letzten Standort in Linden-Nord von 1890 bis zum Konkurs 1990. Auf dem Gelände befindet sich heute das Kulturzentrum Faust.
Aus dem Jahr 1936 liegt eine Bilderserie vor, die Werner & Ehlers zum 75-jährigen Jubiläum aufwendig anfertigen ließ, vermutlich in kleiner Auflage für Geschäftspartner, Freunde und Mitarbeiter des Hauses.
Man bedenke, dass es sich um die Zeit des Nationalsozialismus handelt. Was die Bilder zeigen wollen, ist heile Welt; sie fügen sich nahtlos ein in die Volksgemeinschaftsideologie. Andererseits: Zehn Jahre früher hätten solche Fotos wohl auch nicht wesentlich anders ausgesehen. Kurz, wir haben es zu tun mit einer von der Geschäftsleitung in Auftrag gegebenen Inszenierung - handwerklich sehr gut gemacht.
Die Serie von 1936 umfasst insgesamt 28 Fotos. Im Folgenden wird eine Auswahl vorgestellt:
Hereinkommende Ware wird geprüft
Am Anfang des Produktionsprozesses wurde die eingehende Ware - zu 95 % aus dem Ausland bezogen - geprüft, genau betrachtet, befühlt und abgewogen.
Das Rohwarenlager
Das Rohwarenlager von Werner & Ehlers erstreckte sich über 3.500 qm, unterteilt nach bereits vorsortierter Qualität, das hieß auch nach Provenienz. In den Donauländern und in China bestanden besonders günstige Bedingungen für die Massenzucht von Gänsen und Enten, allein auf China und auf Ungarn entfielen jeweils etwa 20 % des deutschen Federnimports. Die getrennte Lagerung nach Herkunftsgebieten erklärte sich auch aus den Eigenheiten der unter verschiedenen klimatischen Bedingungen gewachsenen Federn.
Vorsortierung
Zur groben Vorsortierung wurden die Federn mit Saug- und Druckluft schonend durch Maschinen befördert. Dabei legten die größeren Federn wegen ihres höheren Gewichts weniger Strecke zurück als die kleineren, wertvolleren Federn und schließlich die Daunen, die im Luftstrom am weitesten wirbelten. Zugleich löste sich ein Großteil des anhaftenden Schmutzes.
Verarbeitung von Eiderdaunen
Höchstpreise erzielten Eiderdaunen. Man rupfte sie nicht von den Tieren, sondern sammelte sie aus den Nestern, mit denen die an den Nordmeeren heimischen Eiderenten ihre Brut gegen eisige Kälte schützten. Bei Werner & Ehlers wurden Eiderdaunen in mühseliger Handarbeit von Schmutz gereinigt. Der unscheinbare Haufen loser Daunen im Vordergrund des obigen Bildes wog etwa 800 g - ein kleines Vermögen. Das Bild verweist auch darauf, dass ein Großteil der Belegschaft aus Frauen bestand.
Vorsortierte Rohware
Das Ergebnis der Vorsortierung: Im Hintergrund liegt die bessere Ware, abgesondert sind Langfedern und Schmutz. Letzterer fand Absatz als Dünger, erstere gingen an die Bürsten- und Schmuckfedernindustrie.
In der Wäscherei
Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Federn unter maschineller Bewegung gewaschen und kräftig gespült, danach in Zentrifugen geschleudert.
Wasserreinigung
Der Übergang von der Trocken- zur Nassreinigung von Federn war eine Pionierleistung von Werner & Ehlers noch im späten 19. Jahrhundert. Dies ergab sich aus dem Erschließen des chinesischen Marktes, denn der von dort bezogenen Rohware haftete so viel Schmutz an, dass die trockene Weiterverarbeitung gesundheitlich stark belastete. Zum Waschen benötigte man Unmengen von Wasser, das Werner & Ehlers am Zusammenfluss von Leine und Ihme entnahm. Weil aber das Flusswasser nicht sauber und weich genug war, durchlief es erst die große Aufbereitungsanlage, dann nach dem Waschen die Kläranlage, gelangte schließlich wieder in den Fluss.
Dämpftrommeln werden befüllt
Man sieht hier, wie ein Arbeiter die gewaschenen, noch feuchten Federn in eine Dämpftrommel füllt. Bei über 100° C trockneten die Federn, nahmen ihre natürliche Form wieder an, waren nunmehr sterilisiert und weitaus elastischer als im unbehandelten Zustand.
Maschinensortierung gewaschener Federn
Die sauberen Federn durchliefen erneut einen Sortiervorgang, teils von Hand, teils in Maschinen. Hinter den Scheiben der Maschine erkennt man hier gut die wirbelnden Federn.
Fortgesetzte Qualitätskontrolle
"Selbstverständlich", so die Firmenwerbung, wurden die Federn in den verschiedenen Verarbeitungsstufen laufend beobachtet und überprüft.
Das Kraftzentrum
Das 20 m hohe Kesselhaus mit dem weithin sichtbaren Schornstein zeugt noch heute vom großen Energiebedarf der Fabrik. Eine mächtige Dampfmaschine, 1934 hochmodern für viel Geld angeschafft und auf ein extrastarkes Fundament gebaut, gab ihre Kraft über Seile an die Arbeitsmaschinen weiter und trieb daneben einen Stromgenerator an. Für über 300 Maschinen hatte die Reparaturwerkstatt zu sorgen, auch konstruierte sie selbst Apparate für spezielle Anforderungen.
Näherinnen
Für den Versand gab es weitere Abteilungen. Das Bild oben zeigt Näherinnen beim Anfertigen von Säcken - andere stellten Beutel her. Überdies besorgte eine eigene Druckerei die Packungsbeschriftung. Die von den Kunden zurückkommenden, leeren Säcke reinigte man und besserte sie aus.
Verpackung der Ware
Frauen stopften Kleinverpackungen.
Abwiegen
Damit es auch wirklich ganz genau stimmte, liefen die gestopften Packungen noch zweimal über die Waage, bevor sie das Haus verließen.
Blick in das Musterzimmer
Im Musterzimmer wurden Vergleichsmuster von größeren Auslieferungen zurückgelegt, um die Käufer später in gleichbleibender Qualität zu bedienen, wenn die das wollten. Dank des großen Lagers konnte Werner & Ehlers vielfältige Federnmischungen auf den Markt bringen und den Kunden individuell passgenau anbieten.
Im Expeditionskontor
Um den Transport der größeren Säcke und Ballen kümmerten sich Männer. Hier werden Großverpackungen an die Verladerampe geschafft.
Die Ware verlässt das Haus
Im Linden der dreißiger Jahre gehörten Pferde noch zum Straßenalltag. Man schaut hier an der im Krieg zerstörten Warenannahme entlang in Richtung Leinaustraße, links in den flacheren Gebäuden befanden sich unter anderem Waschräume.
Zu den Quellen: Die originale Abbildung des Briefkopfes am Anfang stammt aus Privatbesitz, alle anderen Fotos fand ich im Archiv von Faust. Dort liegen weitere Materialien verschiedener Art, aus denen sich der Produktionsprozess bei Werner & Ehlers rekonstruieren ließ. Dabei ist die - weiter unten als Dokument einzusehende - Festschrift von 1936 eine der interessanteren Quellen, hier ergänzt um das begleitende Anschreiben an die "verehrten Geschäftsfreunde", die damit bedacht wurden.
Literaturtipp:
Horstmann, Holger; Kreter, Karljosef; Kunisch, Wulf: Werner & Ehlers. Foto-Geschichte einer Fabrik. Hannover 1994
[Eingestellt am 15. 08. 2009, geändert am 17. 11. 2018]