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Schwimmer und Förderer wollen um das Fössebad kämpfen
Quelle: www.haz.de
Artikel veröffentlicht: Mittwoch, 29.10.2014 13:14 Uhr
Artikel aktualisiert: Samstag, 01.11.2014 00:16 Uhr
Die Zukunft des traditionsreichen Bades in Limmer ist ungewiss: Noch steht nicht fest, welche Summe Verwaltung und Politik aus dem stadtweiten Bäder-Sanierungs-programm für das Fössebad bereitstellen werden.
Limmer. An diesem Abend wird es laut im Fössebad. In der Schwimmhalle motiviert poppige Tanzmusik die Wassergymnastikgruppe. Im Foyer tagt bei Currywurst und Frischgezapftem ein Stammtisch der Wasserballer. Bass und Schlagzeug einer Rockband, die im Kellerklub Béi Chéz Heinz auftritt, bringen den Fußboden zum Vibrieren. Doch am lautesten wird es ausgerechnet im Gymnastikraum. Dort hat der Förderverein des Fössebads zu einer Infoveranstaltung geladen. Wieder einmal geht es um die ungewisse Zukunft des beliebten Bades - und zwei Ratspolitiker des Sportausschusses stellen sich dem Kreuzverhör der aufgebrachten Besucher.
„Das Fössebad ist nicht bloß ein Ort, an dem man schwimmen kann. Es ist ein Kulturzentrum, das unbedingt erhalten werden muss“, brachte Manfred Wassmann von der Initiative Lebensraum Linden das Anliegen aller auf den Punkt. Wassmann und Mitglieder des Fördervereins stellten die Broschüre „Wir sind Fösse“ vor (siehe Extrabericht). In dem Heft ist auch der jahrzehntelange Kampf der Limmeraner und Lindener um ihr Schwimmbad aufgearbeitet. Der begann anno 1987 mit einem Sparprogramm des damaligen Oberstadtdirektors Hinrich Lehmann-Grube, der vorschlug, den Freibadeteil des 1960 erbauten Bades aufzugeben. Die SPD-Ratsfraktion setzte seinerzeit noch einen drauf: Sie regte an, das gesamte Bad zu schließen. „Die Geschichte des Bades hat gezeigt, dass es ohne das Engagement der Nutzer und den Rückhalt der Bevölkerung nicht geht“, ist in der Broschüre zu lesen.
Die etwa 30 Unterstützer im Gymnastikraum ließen keinen Zweifel, dass sie bereit sind, erneut für ihr Bad zu kämpfen. So hatten die sportpolitischen Sprecher der Ratsfraktionen von SPD und Grünen, die zur Zukunft des Bades Stellung beziehen sollten, keinen leichten Stand. Ein Gutachten, das die Stadt in Auftrag gegeben hat, bescheinigt dem Fössebad einen Sanierungsstau von rund 7,4 Millionen Euro. Der Bezirksrat Linden-Limmer hat jüngst eine kurzfristige Finanzspritze von 1,5 Millionen Euro für die dringend nötige Modernisierung des seit 2012 geschlossenen Freibads beantragt. Der Stadtrat verhandelt in den laufenden Etatberatungen aber erst darüber, wie viel Geld in den kommenden Jahren überhaupt für die Sanierung der städtischen Bäder ausgegeben werden soll. Fest steht: 42 Millionen Euro werden langfristig benötigt, um alle Badestätten wieder flottzumachen.
Viel Neues konnten die Politiker nicht zur Klärung beitragen. „Wir warten jetzt alle ab, bis das Bäderkonzept vorgestellt wird“ - diesen Satz musste SPD-Sportausschussmitglied Peggy Keller häufiger wiederholen. Erst wenn der neue Haushalt stehe, beschäftige sich der Rat mit den Bädern, erklärte auch Mark Bindert, ihr Kollege von den Grünen. Das schon mehrfach angekündigte Konzept, das exakte Summen für einzelne Standorte benennen wird, soll nun im Dezember vorliegen. „Sie wissen doch längst, wie das Konzept aussieht“, rief Zuhörer Wolfgang Mormann in die Runde. Aus dem Publikum folgte deutliche Kritik an der „Verzögerungstaktik von Rat und Verwaltung“. Besucher Rolf Schön erboste sich: „Mir scheint, es ist die Strategie der Stadt, das Bad erst vergammeln zu lassen und dann überzogene Sanierungskosten zu veranschlagen.“
Die Ratsmitglieder wurden vom Publikum immer wieder aufgefordert, ein Bekenntnis zum Fössebad abzugeben. Wahrscheinlich ist, dass es saniert wird. Unsicher ist aber, ob das Freibad erneuert wird. Auch ein Neubau, etwa auf dem Gelände der Wasserstadt Limmer, ist in der Diskussion. Das vielzitierte Konzept müsse das Fössebad in besonderer Weise berücksichtigen, forderten seine Unterstützer. Anne Barkhoff, Vorsitzende des Fördervereins, bemängelte: „Das Konzept wurde hier verteilt und da verteilt - wir gucken stets in die Röhre.“ SPD-Ratsfraktionschefin Christine Kastning konterte: „Wenn Not am Mann war, wurde auch dem Fössebad stets geholfen.“ Und Peggy Keller meinte: „Wichtig ist doch erst mal, dass die Stadt zugesagt hat, das Bad zu erhalten.“
Die Freunde des Bades wollen sich nicht darauf verlassen: Sie sammeln auf eigene Faust Geld für die Sanierung. So beteiligten sich jüngst mehr als 400 Besucher an einem 24-Stunden-Sponsoren-Schwimmen. „Wir brauchen kurzfristig 30 000 Euro um das Bad barrierefrei umzubauen“, erklärte Babette Zühlke-Thümler von der Betriebsgesellschaft. Mit Beginn der Inklusion sollen auch körperlich beeinträchtigte Schüler in das Bad kommen - derzeit können sie nicht am Schwimmunterricht teilnehmen.
Der Lindener Ingo Lachnit legte bei der Sponsorenaktion stolze 12 000 Meter in der Halle zurück. „Ich komme seit 30 Jahren hierher, und ich hoffe, dass auch das Freibad bald wieder öffnen kann“, sagte der Ausdauerschwimmer. Bis auf Weiteres geben die Fösse-Fans sich kämpferisch. „Wir haben im Laufe der Geschichte mehrfach erfolgreich den Aufstand geprobt - wir werden das auch wieder tun“, kündigte der selbsternannte Aktivist Peter Holzberg an.
"Wir sind Fösse"
Viele Limmeraner und Lindener kennen „ihr“ Fössebad bestens. Doch sicher weiß nicht jeder über die wechselvolle Geschichte des Bades Bescheid. Einen Rückblick in die Historie und einen Ausblick in die – ungewisse – Zukunft hat der Förderverein in der neuen Broschüre „Wir sind Fösse“ zusammengetragen, in der auch der Journalist Torsten Bachmann einen Beitrag verfasst hat. Noch heute erinnern sich viele Alteingesessene an die Jahre zurück, als das Volksbad durch den namensgebenden Fluss gespeist wurde.
„Wenn ich ins Fössebad ging, war der Badeanzug hinterher fast weiß durch die Salzkruste“, wird der pensionierte Malermeister Rudolf Lotze zitiert. Bis in die späten fünfziger Jahre befand sich das Bad nämlich noch am Ufer der später umgeleiteten Fösse. Deren Wasser war durch Auswaschungen der Badenstedter Saline Egestorfshall so salzhaltig, dass das Fössebad sogar als Solebad gepriesen wurde. Gegründet wurde die öffentliche Badestätte bereits 1838. Das Fössefeld war damals eine idyllische Naturlandschaft außerhalb der Stadt. Das ursprüngliche Fössebad entstand dort an einer ohnehin beliebten Badestelle, mitten im Fluss.
1876 baute der Pächter Fritz Miehe diese zu einem Freibad mit Park und Restaurant aus. Die hannoversche „Illustrierte Rundschau“ schrieb 1913: „In den letzten Jahren ist neben dem Fössebad der prächtige Park entstanden, der mit seinen 300 Sitzplätzen auch großen Vereinen und Gesellschaften einen angenehmen Aufenthalt bietet. Das reizvolle Schmuckstück […] ist ein Idyll, das namentlich in den Morgenstunden von zauberischer Wirkung ist.“
Im gleichen Jahr gründete sich der Schwimmverein Wassersport Hannover Linden, heute als Waspo stadtbekannt. Das damalige Becken, in dem die Schwimmer noch immer den Erdboden aufwirbelten, war 150 Meter lang und 30 Meter breit. Es glich eher einem Kanal. Viele Stadtteilbewohner haben dort das Schwimmen gelernt. 1955 folgte die Schließung: Industrieabwässer hatten die Fösse zu stark verschmutzt. 1960 wurde dann das heutige kombinierte Hallen- und Freibad eröffnet – dessen sanierungsbedürftiges Außenbecken seit nunmehr zwei Jahren geschlossen ist. Die kostenlose Broschüre „Wir sind Fösse“ liegt im Fössebad, Liepmannstraße 7b, zur Mitnahme aus.
von Mario Moehrs