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Der Tierbrunnen vor der Erlöserkirche und seine Brüder
Tierbrunnen vor der Erlöserkirche
[Foto 2007: Michael Jürging]
Was hat es mit der merkwürdigen Vielfalt verschiedener Tierdarstellungen auf sich, die den Brunnen vor der Erlöserkirche zieren? Dicht über dem Boden sehen wir vier Dackelköpfe, auf halber Höhe an der Säule vier kleine Löwenköpfe, darüber vier Pferdeköpfe (der fehlende Kopf - siehe Foto - wurde inzwischen wieder ergänzt) und ganz oben zwei Vögel.
Des Rätsels Lösung findet sich in dem lesenswerten "Hannoverschen Brunnenbuch" (1981) von Rainer Ertel und Ernst-Friedrich Roesener bzw. dessen Nachfolger "Brunnen in Hannover" (1998) von denselben Autoren.
Dort erfahren wir, dass es sich um einen Trinkbrunnen "für Menschen, Pferde, Hunde und Vögel" handelt. Das Brunnenmodell wurde von der Aerzener Maschinenfabrik Adolph Meyer in größerer Stückzahl produziert und zuerst vom Tierschutzverein Hannover aufgestellt. Laut einer Werbeanzeige des Herstellers kurz nach 1900 standen seinerzeit allein in Hannover nicht weniger als 17 Stück.
In Linden gab es früher drei Standorte, die wir nach und nach ausfindig machen konnten, nämlich
- am Schwarzen Bären,
- vor der Post am Lindener Markplatz und
- an der Ecke Ricklinger Straße/Auestraße.
Tierbrunnen am Schwarzen Bären (siehe Kreis) im Jahre 1911
[Quelle: Nachlass Werner Krämer]Tierbrunnen vor der Post am Lindener Markt (siehe Kreis) um 1900
[Quelle: Nachlass Werner Krämer]
Während die beiden Brunnen am Schwarzen Bären und an der Post fotografisch dokumentiert sind, hat sich die Erinnerung an den dritten im Bunde nur durch eine hübsche Karikatur von P. Rodewald aus dem Jahr 1980 erhalten.
Tierbrunnen "um 1910" an der Ecke Ricklinger Straße/Auestraße in einer Karikatur von P. Rodewald aus dem Jahr 1980
[Quelle: Historisches Museum Hannover]
Und so funktionierte der Tierbrunnen: Aus zwei der vier Löwenköpfe flossen dünne Wasserstrahle in das große Pferdebecken darunter. An einer Kette war ein Trinkbecher für durstige Menschen angebracht, die damit das Wasser aus den Löwenköpfen auffangen konnten - in der Karikatur sehen wir, wie sich zwei Lindener "Butjer" diesen Mechanismus gerade zu Nutze machen. Außerdem wurde im Inneren der Brunnensäule Wasser ganz nach oben in die Trinkschale für die Vögel gepumpt. (In der Karikatur interessieren sich die Spatzen allerdings mehr für die Pferdeäpfel.) Aus dem Vogel- und dem Pferdebecken floss das Wasser schließlich in der Säule ganz nach unten in das Hundebassin. Ein wirklich ausgeklügeltes System!
Der Hersteller wies in seiner Anzeige ausdrücklich darauf hin, dass das Trinkwasser für die Menschen "stets direkt, ohne erst ein anderes Becken passiert zu haben, den beiden als Ausflüsse dienenden Löwenmäulern" entströmt. Soll heißen: Keine Bange, Leute; niemand muss mit Pferden, Vögeln oder Hunden aus demselben Becken saufen!
Der Tierbrunnen vor der Erlöserkirche ist im Übrigen keines der drei Lindener Originale. Vielmehr handelt es sich um eine Replik, die auf Initiative des 'Lindenblatt'-Herausgebers Horst Schweimler neu gegossen und 1982 aufgestellt wurde.
Tierbrunnen in Göttingen
[Foto 2009: Johannes Jürging]Tierbrunnen in Bremen
[Foto 2007: Michael Jürging]Tierbrunnen in Aerzen
[Foto 2007: Manfred Wassmann]
Auch in anderen Städten gibt es noch Ausführungen dieses Brunnentyps, beispielsweise in Göttingen, Husum und Bremen - wobei es sich die reichen Hanseaten nicht nehmen ließen, die Pferde- und Löwenköpfe golden anzustreichen. Und natürlich gibt es auch einen "letzten Mohikaner" in Aerzen, dem Ort der ursprünglichen Produktion.
[Eingestellt am 23.06.2009; zuletzt geändert am 23.01.2016]
Gebäude, Institutionen, sonstige Einrichtungen
- Tierbrunnen, Ricklinger Straße, Hannover (Ecke Allerweg)