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Der Schwarze Bär
Dieser Artikel ist dem Buch
"Linden - Streifzüge durch die Geschichte"
des Journalisten Torsten Bachmann entnommen.
Verkehrsknoten und Eingangstor nach Linden: der Schwarze Bär
Von Torsten Bachmann
An einem Sommertag im Jahre 1751 entliefen im Lindener Umland zwei Schweine ihrem Besitzer und landeten am Gasthaus „Schwarzer Bär“. Der ehrliche Wirt schlachtete sie nicht für seine Küche, sondern schaltete eine Zeitungsanzeige unter der Rubrik „Sachen, so gefunden“. Diese Anzeige, auf die Dr. Karljosef Kreter vom Stadtarchiv Hannover stieß, ist die erstmalige schriftliche Erwähnung des Namens „Schwarzer Bär“. Während der Volksmund den Platz schon seit zwei Jahrhunderten so nennt, wurde der Name „Schwarzer Bär“ erst 1954 offiziell eingeführt. Die Straße „Schwarzer Bär“ war bis dahin ein Teil der Deisterstraße. Das merkt man auch heute noch: Die Hausnummern 1 bis 8 in der Deisterstraße sucht man vergeblich. Sie tragen die Adresse Schwarzer Bär 1 bis 8.
Der Schwarze Bär bildet das Eingangstor nach Linden. Mehrere Straßen und zwei Bahnlinien führen hier entlang. Damit ist er ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Schon im 17. Jahrhundert kreuzten sich hier die aus Westen kommenden Landstraßen und führten über die damals noch hölzerne Ihmebrücke in die Residenzstadt Hannover. Das Gelände des heutigen Schwarzen Bären war zu der Zeit noch wenig bebaut. Vor der Brücke standen die zwei Gasthäuser „Schwarzer Bär“ und „Falkonierhof“, in denen Durchreisende eine Pause einlegten.
Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann die verstärkte Erschließung des Schwarzen Bären. Manch prominenten Zeitgenossen zog es hierher: Der königliche Hofbaurat Georg Ludwig Friedrich Laves erbaute sich 1820 nach eigenen Plänen ein vornehmes Wohnhaus nahe der Ihmebrücke. Das Gebäude mit klassizistischer Fassade verkaufte Laves kurze Zeit später an Georg Egestorff, den zu Wohlstand gekommenen Gründerpionier der Lindener Industrie. Das Wohnhaus existiert nicht mehr – dort befindet sich heute der Rewe-Markt (ehemals Woolworth).
Auf der Spitze des Hotels „Zum Schwarzen Bären“ (rechts oben) thronte eine Wetterfahne: ein schwarzer Bär, dessen Hinterteil – so der Spott der Lindener – auffällig oft nach Hannover zeigte. Das Foto entstand im Jahr 1898, also vier Jahre bevor an derselben Stelle ein neues Gasthaus eröffnete.
[Quelle: Sammlung Jürgen Wessel]Der Platz rund um den Schwarzen Bären entwickelte sich in den 1880er Jahren immer mehr zu einem Mittelpunkt Lindens; zusammen mit der angrenzenden Deisterstraße, in der neue Hotels, ein Krankenhaus und die erste Lindener Apotheke entstanden waren. Auf dem neuen Wochenmarkt übertönten die Händler nicht nur sich selbst, sondern auch den Verkehrslärm. Und eine Pferdebahnlinie – die erste in Hannover – führte vom Schwarzen Bären zum hannoverschen Bahnhof.
Als Linden am 1. April 1885 die Stadtrechte verliehen wurden, verbesserte sich die finanzielle Situation deutlich. Ein eigenes Bauamt sorgte jetzt für gezielte Stadtplanung. Am Schwarzen Bären und entlang der Falkenstraße entstanden hochwertige repräsentative Wohn- und Geschäftshäuser. Damit wollte der Lindener Magistrat die Arbeiter- und Industriestadt auch für vermögende Bürger attraktiv machen.
Das neue Wahrzeichen ab 1902: Das Jugendstilgebäude am Schwarzen Bären 4.
[Quelle: Sammlung Jürgen Wessel]Im Jahre 1902 eröffnete das neue Gasthaus „Zum Schwarzen Bären“. Der prachtvolle Jugendstilbau mit Festsälen, Gesellschaftszimmern, Speisesaal und Weinstube wurde als neues Wahrzeichen Lindens gefeiert. Auf dem Dach des Hauses thronte, wie schon beim Vorgängerbau, eine große Wetterfahne in Form eines Schwarzen Bären. Die Lindener spotteten: Das Hinterteil des Bären zeige sehr oft nach Hannover und mache damit deutlich, was die Einwohner der Arbeiterstadt vom feinen Nachbarn halten.
Bis etwa 1911 bekam der Schwarze Bär seine heutige Ausdehnung. Er galt mit den aufwendig gestalteten Häuserfassaden mit Ornamenten, Türmchen und Erkern als Visitenkarte Lindens. Das zehngeschossige Capitolhaus vollendete 1930 die Bebauung des Platzes. Es war das erste Hochhaus Lindens und beherbergte unter anderem ein Kino mit über 1200 Plätzen.
Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre wurde der Schwarze Bär immer wieder zum Schauplatz heftiger politischer Kämpfe. Den Nationalsozialisten war das „rote Linden“, das von Sozialdemokraten, Arbeitern und Linken dominiert wurde, ein Dorn im Auge. An einem Oktobertag des Jahres 1929 kam es zur Eskalation der Gewalt. Nach einer NSDAP-Veranstaltung in der Deisterstraße prügelten sich rechte Braunhemden und protestierende Lindener. Die blutige Auseinandersetzung mit vielen Verletzten ging als „Schlacht am Schwarzen Bären“ in die Lindener Geschichte ein. Weitere heftige Zusammenstöße folgten, u.a. im Juli 1932: 1500 Nationalsozialisten marschierten auf die Ihmebrücke zu, um in Linden einzudringen. Eine riesige Menschentraube aus Gegendemonstranten stellte sich ihnen entgegen und verhinderte den Nazi-Einmarsch.
Nach der Machtübernahme Hitlers hatten besonders die jüdischen Mitbürger zu leiden. Alteingesessene jüdische Geschäftsleute, die das Bild am Schwarzen Bären jahrzehntelang mitgeprägt hatten, wurden ab 1933 terrorisiert, enteignet und später auch deportiert. Manche aber konnten rechtzeitig ins Ausland flüchten. So wie Walter Sochaczewski. Seit 1922 hatte der beliebte Kinderarzt am Schwarzen Bären eine Praxis geführt, manch ein Kind aus armer Familie kostenlos behandelt. 1936 floh er mit seiner Frau und beiden Töchtern über Holland und die Schweiz nach Brasilien.
Jürgen Wessel, Initiator und Hauptsponsor der Bären-Skulptur, die 2005 am Schwarzen Bären aufgestellt wurde. Sie gilt als neues Wahrzeichen des Stadtplatzes.
[Quelle: Sammlung Jürgen Wessel]
Viele Gebäude am Schwarzen Bären können Kriegsgeschichte erzählen. So nutzten die Nationalsozialisten ein Haus als Zwangsarbeitslager. Dort waren u.a. auch italienische Saisonarbeiter untergebracht, die Mussolini dem verbündeten Deutschland zur Verfügung gestellt hatte. Einige Häuser fielen den Fliegerangriffen zum Opfer, andere blieben im Originalzustand erhalten: die Gebäude Schwarzer Bär Nr. 1,3,5,7 im Stil nordischer Renaissance geben noch einen kleinen Eindruck vom ehemals repräsentativen Eingangstor von Linden. Das Gasthaus „Zum Schwarzen Bären" hingegen, Wahrzeichen des Platzes, brannte 1943 nach einem Bombentreffer aus. Man ersetzte es nach dem Krieg durch einen nüchternen Neubau, in dem ein Kino und später das erste McDonald's-Restaurant Hannovers einzog.Seit 2005 gibt es wieder ein neues Wahrzeichen am Platz: die viereinhalb Tonnen schwere Skulptur eines schwarzen Bären.
© 2012 Torsten Bachmann, Hannover
www.torsten-bachmann.de