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Alma aus Linden - eine vergessene Erfolgsgeschichte
von Horst Deuker
Manchmal hat man so eigentümliche Erinnerungen. Als ich neulich irgendwo ein Gedicht von Alma Rogge las, hatte ich plötzlich Assoziationen zum Namen Alma, die mich nicht mehr losließen. Alma - wieso denke ich dabei gleich zurück an meine Jugendzeit? Wieso hat dieser doch eher antiquierte Vorname plötzlich meine Erinnerung angesprochen? Richtig, fiel es mir da wieder ein: Das Alma-Fest, es gab doch mal ein Alma-Fest, das ganz groß gefeiert wurde! War das nicht mit der 'Hannoverschen Presse' verbunden?
Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Und so bemühte ich mich mal wieder in die Stadtbibliothek in der Hildesheimer Straße und fing an, in den Zeitungsausgaben von 1950 zu stöbern. Das ist gar nicht so einfach mit dem Projektor und den kleinen Filmrollen, denn die Zeitungen werden zunehmend auf Mikrofilm archiviert. Glücklicherweise wurde ich gleich in der Ausgabe der 'Hannoverschen Presse' (hp) vom 3. Januar 1950 fündig, und damit kehrten auch die Erinnerungen "en détail" zurück. Ein Lied sollte her für die große Faschingsfete der hp. Eine Annonce klärt uns auf:
Ein Komponisten-Wettbewerb mit einem Preisgeld von 1.000 DM sollte der Lohn für das von einer Jury gekürte Lied zum 18. Februar sein. Dann wollte die hp auf einem großen Fest in den Räumen der Stadthalle den Faschingsschlager aus der Taufe heben. Die Niedersachsenhalle und alle angeschlossenen Wirtschaftsräume waren dafür bereits reserviert.
Beim Wettbewerb waren einige Anforderungsbedingungen zu beachten. Der Titel stand schon fest, er lautete "Alma aus Linden", und es sollte ein Schunkelwalzer mit eingängigem Text werden. Zur besonderen Belohnung erklärte sich die Deutsche Grammophon AG bereit, das Siegerlied aufzunehmen und unter ihrem Label Polydor zu vermarkten. Das versprach für die Teilnehmer einen guten Einstieg ins Schlagergeschäft.
Dass die hp ein Übriges tat, um das Almafest in den Wochen davor mit der entsprechenden Werbung auszustatten, ist wohl selbstverständlich.
Leider ist in der hp nirgends zu lesen, wie viele Komponisten - und solche, die es werden wollten - sich an dem Wettbewerb beteiligt haben. Aber ganz eindeutig hatte sich ein Siegerteam hervorgetan: Rudolf Pagel schrieb die Musik und Günter Kirchhoff lieferte den Text dazu. Beide waren übrigens keine Hannoveraner, was der Sache aber keinen Abbruch tat. Das Ganze wurde ein großartiger Erfolg. Mehrmals musste das Niedersächsische Symphonieorchester unter der Stabführung des Komponisten das Lied wiederholen. Und was noch nachzutragen ist: Rolf Schendel vom Thalia-Theater hat die Premiere gesungen. Das hatte ich ganz vergessen, obwohl eben dieser Sänger ein guter Freund von mir war. Im Übrigen gab es ein tolles Beiprogramm, wie der nachfolgenden hp-Anzeige zu entnehmen ist:
Werbung und Ausschreibung hatten ein riesiges Echo hervorgerufen. Die Niedersachsenhalle war bereits zwei Wochen vor der Veranstaltung ausverkauft. Aber nicht nur die Niedersachsenhalle, auch alle Wirtschaftsräume der Stadthalle erlebten einen nie für möglich gehaltenen Andrang. Man hatte sämtliche Gartenstühle und Notgarderoben mit einbezogen. Nichts ging mehr. Schon eine Stunde vor Beginn waren alle Säle voll. Draußen vor den Türen, so schrieb "To-Ger." in der Montagsausgabe der hp, standen noch Hunderte, die mit allen möglichen Kniffen und Schlichen versuchten, sich Zutritt zu verschaffen. Einigen soll es sogar gelungen sein.
Pünktlich um 19.30 Uhr begann das große Spektakel, und nach der offiziellen Begrüßung durch Verlagsdirektor Hoffmeister übernahm der hannoversche Conferencier Walter Böhm den Ablauf des Programms. Nach einer halben Stunde mit einem Feuerwerk humoristischer Lachstürme kam es dann zur Welturaufführung des preisgekrönten Liedes.
Vielleicht ist noch erwähnenswert, dass das Lied von der Alma aus Linden zwar ein Schunkelwalzer war, aber wegen der großen Menschenmenge im Saal gar nicht als Walzer getanzt werden konnte. Flux bat man den Komponisten, daraus doch eine Samba zu machen, was der tatsächlich prompt und bewundernswert erledigte.
Sechs Kapellen spielten ohne Musikpause bis in den frühen Morgen.
Ein paar Tage später erschien in der hp noch ein lesenswertes Gedicht von Fritz Koch, einem der Teilnehmer des Komponisten-Wettbewerbs, die nicht zum Preisträger aufgestiegen waren. Es wirft ein kleines Schlaglicht auf die damaligen Lebensverhältnisse:
Von Herzen Dank laßt mich der Presse sagen
für das, was ich so tief empfand.
Ihr habt mein Alma-Lied nicht unterschlagen,
Ihr habt es eingeschrieben mir zurückgesandt.
Wenn auch mein Lied nicht preisgekrönt,
so fühl ich dennoch mich mit Euch verbunden;
denn der Gedanke hat mich ausgesöhnt,
daß nur das Bessere das Glück gefunden.
Das Bessere, es mag das Beste sein,
wie gern möcht' ich's im Festglanz miterleben
und mich im Walzertakt mit Euch erfreu'n;
wer soll mir aber die "Moneten" geben??? -
Ich teil das Schicksal vieler deutscher Brüder,
bin arbeitslos und hab 'ne Frau zu Haus.
Doch ach, was schreib ich diese Worte nieder -
Klatscht für mich mit beim Alma-Lied-Applaus!
hp-Anzeige von 1952
Das Alma-Fest blieb noch für mehrere Jahre ein Höhepunkt im Festkalender der 'Hannoverschen Presse' und der Hannoveraner.
Bei Polydor wurde auch die angekündigte Schallplatte herausgebracht. Ein zu jener Zeit sehr populärer Schlagersänger namens Heinz Woezel hat den Text der "Alma aus Linden" für immer der Nachwelt erhalten. Er sang damals mit dem NDR-Tanzorchester unter der Leitung von Alfred Hause bekannte Melodien wie "Von den blauen Bergen kommen wir", "Anneliese" und "Du hast so wunderschöne blaue Augen", um nur ein paar seiner Erfolgstitel zu nennen.
[Eingestellt am 23.01.2013; zuletzt geändert am 23.01.2016]